OLDIES
C D s
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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
von Franz
Schöler
Franz Schöler ist seit über 40
Jahren aufmerksamer Be-
obachter der Musikszene. In
STEREO kommentiert er neu
erschienene Aufnahmen der
Rock- und Popgeschichte.
Elvis Presley
ELVIS - THAT’S THE WAY IT IS
DELUXE EDITION
RCA Legacy
8
CDs (535’) + 2 DVDs
Auch als LP geplant
REPERTOIREWERT
★ ★ ★
★ ★ _
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★
★ ★
In seiner m onum entalen Elvis-Mo-
nografie schreibt Peter Guralnick
von der „stillschweigenden Verach-
tung“, mit der Regisseur Denis San-
ders an die ihm angetragenen Dreh-
arbeiten zum Dokum entarfilm „El-
vis - That’s The Way It Is“ (
1 9 7 0
)
ging. Das gleichnamige Album war
nach zwei im selben Jahr vorausge-
gangenen Live-Platten ein teils hef-
tig verrissener Zwitter aus Konzert-
und Studioaufnahm en, unter den-
selben waren auch zweitklassige
Schmachtfetzen wie „How The Web
Was Woven“ (dam it nicht gemeint:
das Internet). Neben großen Songs
(„You’ve Lost That Loving Feeling“,
„Bridge Over Troubled W ater“) gab
es da auch höchst mediokre, weil
sich renom m ierte Songschreiber
von Elvis’ M anager „Colonel“ Tom
Parker keine Copyright-Prozente
mehr zugunsten des Stars abpres-
sen ließen.
Über Jahrzehnte hinweg in im -
m er neuen Varianten aufgelegt,
bietet „That’s The Way It
Is“ in der jüngsten Super
Deluxe Edition zumindest
für Elvis-Fans kaum Über-
raschungen.
Erstm als
zur Gänze offiziell ver-
öffentlicht sind die Din-
ner Shows vom
1 1
. und
1 2
.
August
1 9 7 0
. Dafür,
dass alle sechs Konzerte
sehr gut remastered klin-
gen, sorgte Vic Anesini.
Die knapp zwei Dutzend
Proben-M itschnitte auf
CD
8
waren ausnahm s-
los schon anderswo ver-
öffentlicht. In äußerst bescheidener
Bild- und (Mono)Tonqualität ist der
Originalfilm von
1 9 7 0
kein erheben-
des Erlebnis. (Was schon dem „Co-
lonel“ damals schwante!)
Für die Special Edition von
2 0 0 1
auf der zweiten DVD konnte Rick
Schmidlin auf mehrere Kilometer
Film- und (auf
1 6
-Spur-M ultitrack
vorliegendes) Tonmaterial zurück-
greifen. Wie auch die brandneue Blu-
ray dokumentiert sie gnadenlos mu-
sikalische Unzulänglichkeiten der
Konzerte. Die hat, anders als sonst
oft üblich, niemand nachträglich ge-
schickt durch Overdubs ausgemerzt!
OLDIE DES MONATS
Verschiedene M usiker
CALYPSO CRAZE 1956-57
AND BEYOND
Beat Family
6
CDs (484’) + DVD
REPERTOIREWERT
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
W ie heftig der Calypso-Virus M it-
te der
5
oer-Jahre die Popmusik der
USA infiziert hatte, beweist nichts
nachdrücklicher als die Tatsache,
dass Louis Arm strong als damals
lebende Legende des Jazz die von
Cole Porter (einem G roßm eister
des am erikanischen Songbook)
1 9 5 6
ko m ponierte T itelm elodie
zum Film „High Society“ als Ca-
lypso arrangiert spielte. Die erste
m ehr als eine M illion M al verkauf-
te LP der Geschichte w ar in dem -
selben Jahr Harry Belafontes drit-
te geworden, irreführend „Calyp-
so“ betitelt. Denn genau genom -
men hatte er sich als Folk-Veter-
an für die Songs au f derselben
w ie schon auf den vorausgegan-
genen LPs bei populären jam aika-
nischen Songs der Gattung M en-
to bedient, eine dort kultivierte
Folk-Variante m it gelegentlichen
Protestsong-Elem enten. Letztere
Einflüsse, die etwa bei „Jamaica
Farewell“ oder „Island In The Sun“
anklingen, passten perfekt zu sei-
ner in der Rassenproblem atik kri-
tischen Position. Noch w eit grö-
ßere Pop(!)hits waren für ihn da-
mals eher unpolitische Songs wie
„Mam a Look A Bubu“ und „Banana
Boat (Day-o)“, alle eigentlich ziem -
lich exotisches Liedgut in dem sel-
ben Jahr
1 9 5 7
, als Elvis Presley von
„All Shook Up“, „Too M uch“, „(Let
Me Be Your) Teddy Bear“ und „Jail-
house Rock“ zig M illionen Singles
verkaufte.
Um die Bedeutung von Belafonte
für das Calypso Craze-Phänomen
zu unterstreichen, versam m elte
man m ehr als zwei Dutzend Auf-
nahmen aus seinen Studio-LPs auf
der zweiten der sechs CDs. Da fin-
det man m it „Rum And Coca Cola“
von den Andrews Sisters auch ei-
nen frühen Vorläufer der Gattung,
in dem ein heikles Them a nur de-
zent angesprochen wurde - in Tri-
nidad stationierte GIs und Touris-
ten spendierten dort Prostituier-
ten Yankee-Dollars.
Diese
Fundgrube an
Klassi-
kern präsentiert so ziemlich alles,
was Prom inente (Nat King Cole,
Ella Fitzgerald, Louis Jordan, Hol-
lywoodstar Robert M itchum , Pat
Boone, Folk-Veteran Terry Gilky-
son), aber auch Countrysänger
Hank Snow und Jazz-Ikone Louis
Arm strong an Ausflügen in die ih-
nen eigentlich eher frem den G efil-
de des Calypso unternahm en. Eine
besser dokum entierte Genre-Re-
trospektive als diese wird nie je -
mand vorlegen! Da fehlt nicht ein-
mal das
1 9 5 7
von Fred Astaire kom-
ponierte „Calypso Hooray“ , das
den Boom satirisch persiflierte.
Allerdings erfolglos: M it dem M il-
lionenseller „Jump Up Calypso“
wurde Belafonte
1 9 6 1
noch ein-
m al genauso erfolgreich w ie zu-
vor mit den berühm tem Carnegie
Hall-M itschnitten.
Kinks
LOLA VERSUS POWERMAN AND
THE MONEYGOROUND, PART 1 /
OST „PERCY“
Sony Legacy 2 CDs
(128’)
REPERTOIREWERT
★ ★ ★
★ ★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ * ★
Nostalgie war
1 9 6 8
auch bei den
Beatles angesagt - aber nur für die
Dauer der Single „Lady M adonna“,
mit der Paul McCartney Erinnerun-
gen an glorreiche Rock ’n’ Roll-Zei-
ten beschwor. Entschieden w eh-
mütiger war die Stimmung, die Ray
Davies damals mit dem Hit „Days“
verm ittelte, eine noch elegischere
Nummer als zuvor „Waterloo Sun-
set“. Ab da drohte die Band nicht
nur neben Beatles, Who und Stones,
sondern auch Cream, Jimi Hendrix
Experience, Pink Floyd und sogar
neuen ProgRockern wie King Crim-
son in Vergessenheit zu geraten.
Denn die LPs „The Village Green
Preservation Society“ und „Arthur“
fanden auch beim inneren Fan-Zir-
kel allen Kritiker-Elogen zum Trotz
kaum Anklang.
Das Karrieretief inspirierte Ray
Davies beim Album „Lola Versus
Powerman .
..“ zu mild satirischen
Liedern über das Pop-Business
wie „Top Of The Pops“, „Denmark
Street“ und „The Moneygoround“.
So einprägsam oder in satirischer
Schärfe geschlif-
fen wie thematisch
vergleichbare von
Byrds und
Frank
Zappa w ar aller-
dings kein Song
davon, auch nicht
seine
B etrach-
tung Uber das Pop-
star-Leben auf Tournee („This Time
Tomorrow“). Aber dann erinnerte er
sich an einen One-Night-Stand mit
einer gewissen Lola vor fünf Jahren
„in a club down in old Soho“, und
die Begegnung in dem verruchten
Etablissement inspirierte ihn zu ei-
nem Song, mit dem man die Kinks
bald für immer identifizieren sollte.
Einen weiteren seiner denkwürdigs-
ten schrieb er wenig später für den
Soundtrack zum Film „Percy“ mit
„The Way Love Used To Be“.
Für die Remaster-Edition der bei-
den CDs wählte man eine etwas de-
zentere Entzerrung der Höhen als
bei denen von
2 0 0 3
. Für Kinks-Kul-
tisten dürften aber die vielen Remi-
xes, Alternativ- und Outtakes neben
den Hits im Mono-Original - die re-
mastered! - noch größerer Anlass
zur Freude sein.
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht
STEREO 11/2014 135
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